VI. FREIHEIT, EINSAMKEIT, LIEBE

<- V.4 VI. FREIHEIT, EINSAMKEIT, LIEBE VI.1 Freiheit - eine Zusammenfassung Wir haben festgestellt: Es gibt Freiheit. Sie ist keine Illusion, sondern Wirklichkeit. Und entgegen der Behauptung mancher Autoren der Inkompatibilität von Freiheit und Determinismus müssen wir nicht einmal auf die Annahme einer deterministischen Welt verzichten. Der Begriff "Freiheit" ist Teil des Vokabulars einer hermeneutischen Geschichte. Er ist notwendig, damit wir uns als handelnde, reflektierende Wesen verstehen können. Das Gefühl, das der Begriff bezeichnet, ist nicht losgelöst von diesem - es handelt sich nicht um eine bloße philosophisch-theoretische Freiheit -, sondern ist, und das zeigten die Überlegungen, die wir im Kapitel über den Zusammenhang von Erleben und Sprache mit Wittgenstein und Taylor anstellten, aufs engste mit diesem verknüpft. Mit Taylors Unterscheidung zwischen subjektbezogenen und nicht-subjektbezogenen Gefühlen haben wir auch zwischen zwei Arten von Freiheitserleben unterschieden: dem Erleben von Willensfreiheit und von Handlungsfreiheit. Letztere gestehen wir auch manchen Tierarten zu, wobei ich behauptet habe, daß wir diesen die Freiheit nur "leihen", wohingegen wir als Sprechende, als Personen, notwendig frei sind. Ich habe das Personsein eng mit Sprachfähigkeit verknüpft und behauptet, daß Sprechende immer, Wesen dagegen, die einer Sprache nicht mächtig sind, niemals Personen sind (sie können jedoch von uns personalisiert werden, wodurch wir so tun, als könnten sie sprechen), wobei ich Nicht-Personen dennoch eine Form von Kommunikation zugestanden habe, die ich vorsubjektsprachliche Kommunikation nannte. Eine Interaktion, bei der Personalität keine Rolle spielt, bezeichnete ich als funktional, eine Interaktion, bei der Personen interagieren, dagegen als personal. Es zeigte sich, daß es sinnvoll ist, die personale Interaktion nochmals zu unterteilen in funktionale und personale Interaktion, um der Erfahrung gerecht zu werden, daß Personen mit anderen Personen manchmal in einer Weise interagieren, in der sie die andere Person nur in ihrer Funktion wahrnehmen, manchmal aber auch in einer Weise, in der sie sie als Person wahrnehmen. Mit Strawson konnte ich zeigen, daß zwischen rein funktionalem und rein personalem Verhalten viele Zwischenstufen vorkommen, die abhängig davon sind, wie objektiv die Haltung der einen Person der anderen gegenüber ist. Mit Taylor habe ich dann zwischen tiefen und flachen Personen unterschieden – tiefe Personen sind Personen, die eher personal interagieren, flache Personen solche, die eher funktional interagieren -, in der Annahme, daß diese Unterscheidung etwas zu unserem Verständnis von Freiheit beitragen kann. Ich habe des weiteren festgestellt, daß die Mitglieder des “Personenclubs” auf kategorial andere Weise miteinander verbunden sind als Nicht-Personen, und konnte so deutlich machen, was mit der Realität des Personseins gemeint ist, um später die Realität der Willensfreiheit von der Realität des Personseins “abzuleiten”. Dies konnte ich tun, da sich zeigen ließ, daß die Begriffe “Freiheit” und “Person” miteinander verknüpft sind.
Handlungsfreiheit hatte ich verstanden als die Freiheit, tun zu können, was man will, Willensfreiheit als die Freiheit zu wollen, was man zu wollen richtig findet. Wie wir gesehen haben, läßt sich die so verstandene Willensfreiheit auf zwei Weisen lesen: als Entscheidungsfreiheit und als Identifikation mit dem Willen. Im ersten Fall entsteht aus dem Überlegen ein Wille, im zweiten Fall ist der Wille bereits vorhanden und muß in das Selbstbild integriert werden. Insofern es gelingt, daß das Überlegen Einfluß auf unser Handeln hat, bzw. daß sich mit dem Willen identifiziert wird, erlebt man sich als frei; insofern es mißlingt als unfrei. Die Unterscheidung zwischen tiefen und flachen Personen ermöglichte uns dabei, ebenso zwischen tiefem und flachem Freiheitserleben zu unterscheiden. Es konnte darüber hinaus gezeigt werden, daß unser Freiheitserleben in einer Interaktion von unserer Einstellung dem Interaktionspartner gegenüber abhängt. Schließlich untersuchte ich die Rolle des Zwangs bezüglich der Freiheit und stellte fest, daß es der Idee von Freiheit nicht widerspricht, daß man von etwas, das man billigt, zu einer Handlung genötigt wird. Zusammenfassend läßt sich sagen: Wir sind frei, weil wir sprechen, und wir nutzen die Freiheit erschöpfend, wenn wir personal interagieren.
Auf den folgenden Seiten möchte ich zum Abschluß noch ein paar Gedanken verlieren zu dem Zusammenhang von Einsamkeit und funktionaler Interaktion auf der einen und Liebe und personaler Interaktion auf der anderen Seite. Ich werde dabei keine ausführliche Argumentation vorlegen, sondern verstehe eine solche als eine Aufgabe für die Zukunft. Dies ist ein Ausblick darauf, was die von mir eingeführten Begrifflichkeiten der funktionalen und personalen Interaktion in Bezug auf andere Themen, die eng mit dem Thema Freiheit verknüpft sind, leisten könnten.

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