III.3 Tun können, was man will

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III.3 Tun können, was man will

Freisein und Erleben von Freiheit gehen Hand in Hand. Von Systemen, die kein Erleben haben, zu sagen, sie seien frei, muß als eine metaphorische Sprechweise verstanden werden. Nun habe ich weiter oben drei Erlebensklassen unterschieden: Empfindungen, nicht-subjektbezogene Gefühle und subjektbezogene Gefühle. Unter welche Klasse fällt das Freiheitserleben? Ob wir uns frei fühlen oder nicht, ist abhängig von unserer Einschätzung der Situation, in der wir uns befinden. Deswegen ist Freiheit keine Empfindung. Setzt das Erleben von Freiheit ein Subjekt des Erlebens voraus, wie es bei subjektbezogenen Gefühlen der Fall ist? Ja und nein. Tatsächlich las- sen sich hier zwei Arten von Freiheit unterscheiden. Der Motorradfahrer, der durch die Weiten Amerikas rauscht, um Freiheit zu erfahren, verbindet Freiheit nur mit seinem Handeln und nicht mit seiner Person. “Ich kann tun, was ich will!” sagt er und meint damit eben, daß er frei ist in seinem Handeln. Diese Art von Freiheit nennt man in der Philosophie “Handlungsfreiheit”. Die subjektbezogene Freiheit nennt man “Willensfreiheit”. Sie werde ich in den nächsten beiden Kapiteln untersuchen. Doch zunächst zur Handlungsfreiheit:
Ein Handeln ist, wie wir gesehen haben, verbunden mit einem Wollen: Derjenige ist frei, der tun (und lassen) kann, was er will. Ein Wille, haben wir mit Frankfurt gesagt, ist ein handlungswirksamer Wunsch. Doch hier müssen wir eine kleine Feinheit beachten, um die Pointe der Handlungsfreiheit zu verstehen. Denn so, wie ich es bisher dargestellt habe, scheint jemand, dessen Motorrad streikt, nicht den Willen haben zu können, wegzufahren, da der Wunsch aufzubrechen nicht handlungswirksam werden kann. Das hieße, daß Wille und Handlung zusammenfallen und daß es kein unfreies Handeln gibt. Doch so sprechen wir nicht. Frankfurt schreibt:

“Den Willen eines Handelnden zu beschreiben heißt entweder, den Wunsch oder die Wünsche anzugeben, die ihn zu den Handlungen bewegen, die er tatsächlich ausführt, oder heißt, den Wunsch oder die Wünsche anzuführen, die ihn bewegen werden, wenn er handelt, oder die ihn bewegen würden, falls er handelte. Der Willen eines Handelnden ist also identisch mit einem oder mehreren seiner Wünsche erster Stufe. Aber der Begriff des Willens, wie ich ihn gebrauche, ist nicht umfangsgleich mit dem Begriff von etwas, das den Handelnden bloß bis zu einem gewissen Grade geneigt macht, in bestimmter Weise zu handeln. Sondern es ist der Begriff eines effektiven oder handlungswirksamen Wunsches, der eine Person dazu bringt (oder dazu bringen wird oder würde), den ganzen Weg bis zu einer Handlung zu gehen.” 1

Der entscheidende Punkt, der bisher gefehlt hat, ist also, daß nicht das tatsächliche Handeln den Willen ausmacht, sondern gewissermaßen die Bereitschaft, den Weg, der für die Wunscherfüllung zurückgelegt werden muß, bis zum Ende zu gehen, eingedenk aller Hindernisse, die beiseite geräumt oder überwunden werden müssen. D.h., man kann vom Motorradfahrer nur dann sagen, daß er neben dem Wunsch wegzufahren auch den Willen wegzufahren besitzt, wenn er Pläne schmiedet, sich Werkzeug besorgt, einen Mechaniker anruft. Auf eine weitere Einschränkung macht Peter Bieri aufmerksam: Ich kann nur dann etwas wollen, wenn es im Bereich meiner Fähigkeiten liegt, es zu erreichen; genauer: wenn ich glaube, daß es im Bereich meiner Fähigkeiten liegt. Ich kann mir in dem Sinne zwar wünschen, Zeitreisen zu machen, kann es aber nicht wollen. So können wir jetzt formulieren: “Daß jemand etwas will, bedeutet einfach, daß es in ihm das skizzierte Zusammenspiel von Wunsch, Überzeugung, Überlegung und Bereitschaft gibt und daß diese innere Struktur für sein Tun verantwortlich ist.” 2
Handlungsfreiheit schreiben wir auch manchen Tierarten zu. Sie ist nicht subjektbezogen und setzt keine Subjektsprache voraus. Wesen mit Selbstbewußtsein ist es darüber hinaus möglich, auf eine andere Art frei oder unfrei zu sein. Davon wird jetzt zu reden sein.

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Notes:

  1. Frankfurt (2001) S. 68/69. Ein Wunsch “zweiter Stufe” wäre ein Wunsch, der sich auf einen Wunsch bezieht.
  2. Bieri (2001) S. 40.